Gedanken aus der Vorlesung. Teil zwei. Scheint also eine Reihe zu werden, dieses Gedankending… lasst mich mal wissen was ihr dazu denkt.
§211, Absatz 2, StGB: Mord „Mörder ist, wer, (…) oder sonst aus niedrigen Beweggründen (…) einen Menschen tötet.“
Die klassische Studentenfrage: Was sind „niedrige“ (oder niedere) Beweggründe, neben Mordlust, Habgier, Befriedigung des Geschlchtstriebs (Leute tun sowas wirklich. Anscheinend. Ich betrachte das ganze hier abstrakt und gehe nicht weiter darauf ein, okay? Gut.)?
Sind wir mal ganz spontan: Persönlicher Hass. Klar. Eifersucht. Naja vielleicht manchmal doch auch der §213 (minder schwerer Fall des Totschlags), aber grundsätzlich erstmal ja. Rassismus! Natürlich, niedrigster Beweggrund überhaupt. Terrorismus (also die Durchsetzung politischer Ziele mit Gewalt). Überhaupt, so Ideologiekrams, ist doch logisch. Was noch? Ja, langsam wird’s schwierig. Rache! Schlägt der Student aus der letzten Reihe vor, speziell Blutrache („Wenn einer mein Kind anfasst und dann bringe ich ihn halt um.“), oder auch nicht? Wir könnten hier bestimmt weiter machen, aber das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist: Als niedrige Beweggründe definiert die Rechtsprechung (in Übereinstimmung mit der herschenden Lehre) „Motive, die nach allgemeiner rechtlich-sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, durch hemmungslose Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verachtenswert sind“. Und hier kommt jetzt mein „Was zur Hölle?!?“-Moment. Jede Tötung ist doch grundsätzlich erstmal verachtenswert. Klar, als Juristen müsen wir da qua Beruf Wertungen und Abstufungen vornehmen, aber bitte?! Diese Formulierung ist so schwammig, damit könnte ich meine eigene Oma zur Mörderin argumentieren, und sei es nur, weil sie so guten Kuchen backt.
Ich habe mich also ein bisschen aufgeregt. Und dann drüber nachgedacht. Eigentlich ist das gar nicht so dumm. Eigentlich ist das sogar eine ziemlich gute Formulierung. Sie schützt uns vor BILD-Urteilen, vor Fehlurteilen und überzogenen Reaktionen, und sie schiebt den schwarzen Peter der Gesellschaft zu: Allgemein soll sie sein, die Wertung, also aus der Mitte der Gesellschaft heraus, aus dem Konsens dessen, was wir für „in Ordnung“ halten (Den Notwehrexzess, klar. Passiert. Fahrlässigkeit. Scheiße, aber kommt vor. Die provozierte Tötung. Meinetwegen auch die, ja okay.) und was echt nicht mehr klar geht (Raubmord. Vergewaltigung. Terrorismus. Rache. Rassismus. So’ne Scheiße halt.). Soll die Gesellschaft über die „besondere Verachtenswertheit“ des Motivs entscheiden.
Aber halt. Wie passt denn der gewöhnliche Totschlag in diese Konstellation?, rief ich an dieser Stelle (gedanklich) aus. Was macht den Totschlag aus „Höheren“ (?) Beweggründen weniger verwerflich als den Totschlag aus „Niedrigen“ Beweggründen (den sogenannten „Mord“)? Welche Motive sind „edel“ und welche „niedrig“? Ich ruf euch an wenn ich’s weiß.
Und so endet dieser Text mit dem Fazit: Recht ist schwammig. Mord ist scheiße. Und irgendwie ungenau definiert. Sollte man nochmal überarbeiten, den Tatbestand.